Kürzlich las ich einen sehr interessanten Artikel auf dem Portal finanzen.ch zum Weintourismus in China: https://www.finanzen.ch/nachrichten/aktien/chinas-groesste-weinbauregion-hat-grosse-plaene-1029736307
Wer sich nicht den kompletten Text reinziehen will, hier ein paar Angaben daraus:
Es gibt in China mehrere Weinbauregionen. Eine davon ist Ningxia. Dort fand kürzlich eine große Weinmesse mit Vertretern aus 96 Ländern statt (heißt es im Artikel). Weiter schreibt der Autor / die Autorin (einen Namen habe ich nicht gefunden; er basiert wohl auf einer Pressemitteilung von PRNewswire):
„Im Laufe der Jahre hat sich Ningxia rasch zu einer wichtigen Weinbauregion in China entwickelt. Es gibt dort zurzeit 32.800 Hektar Weinrebenplantagen, die einen jährlichen Ertrag von 130 Millionen Flaschen Wein und einen umfassenden Produktionswert von 26,1 Milliarden Yuan (ca. 3,9 Milliarden US-Dollar) erbringen.
Der Ehrgeiz ist groß, denn Ningxia plant, die Anbaufläche bis 2025 zu verdoppeln und eine Jahresproduktion von 300 Millionen Flaschen Wein zu erzielen.“
Zum Vergleich: Franken hat ca. 6.000 Hektar Anbaufläche. Und Ningxia ist nur eine von bestimmt vielen (ich kenne mich dort leider nicht genügend aus, wenngleich ich 2012 in China auf einer Weinmesse war und schwer beeindruckt war von den dortigen Bestrebungen, China zu einem im Weinbau weltweit führenden Land zu machen).
Diese eine Weinbauregion Chinas will – laut Pressemitteilung – ihre Fläche mal so einfach innerhalb von fünf Jahren verdoppeln. Das wäre bei uns in der EU gar nicht möglich, alleine schon rechtlich (abgesehen, dass die Flächen fehlen). Es wird also in Zukunft, wenn sie in China die Qualitäten hinkriegen (und warum sollten sie das nicht) einen großen Wettbewerb zum europäischen Markt geben. Das ist nicht neu: Über die Skandale der Weinfälschungen in China kann man sich per Google Suche selbst informieren.
Weintourismus
Was ich an diesem Artikel besonders interessant fand, war der Hinweis auf die Bedeutung des Weintourismus in Ningxia. Dort heißt es:
„Ningxia hat sich das Potenzial des Weintourismusmarktes erschlossen. Gegenwärtig empfangen die Chateaus von Ningxia mehr als 600.000 Touristen pro Jahr.“
Das muss man sich erst einmal vorstellen. Wenn es denn stimmt. Aber ich gehe mal davon aus. Vielleicht sind es auch mehr Weintouristen. Und wenn es weniger wären, tut es auch nicht groß zur Sache.
Bei uns in Europa, also auch Deutschland, Bayern, Franken… hat man – zurecht – gute Strukturen aufgebaut, um den Weintourismus zu fördern. Ein wenig finanziell, noch mehr ideell. So kam ich selbst ja überhaupt erst dazu im reiferen Alter Winzer zu werden. Es begann (bis auf eine Exkursion in den Weinbau in der Jugend) mit dem Weintourismus.
Weil wir ein keines Hotel garni im Schloss betreiben und somit – zumindest vor Corona – viele Gäste haben, die gerne auch mal ein Glas Wein in unserem schönen Fränkischen Weinland trinken, absolvierte ich 2001/2002 die Ausbildung zum „Gästeführer Weinerlebnis Franken“ . „Mit Weinverstand durchs Frankenland“ ist da die Devise – oder: nein. Das war ein Buchtitel, glaube ich. Soviel zur selektiven Wahrnehmung. Es heißt „Komm, ich zeig` Dir mein Weinland!“ und diesen Verstand und die Werkzeuge, das Land fachgerecht zeigen und erklären zu können, wollte ich natürlich erlernen, um auch meinen Gästen im Schloss den Frankenwein bei Verkostungen, Weinproben und Führungen näher zu bringen. Das hat mir mindestens genauso viel Spaß gemacht, wie unseren Gästen, weshalb das Thema Wein für mich immer wichtiger wurde.
Gut, der Rest ist Geschichte und kann auf der Seite des Weinguts unter diesem Menüpunkt auch nachgelesen werden. Was mir jetzt gerade wichtig ist: Was machen wir jetzt in Zeiten von Lockdowns mit dem Weintourismus? Zum einen merke ich anhand der Tatsache, dass gerade gar nichts geht, wie wichtig doch dieser Weintourismus und generell der menschliche Kontakt in dieser Branche ist. Eine Branche, Wein also, in der es ganz besonders um Emotionales geht. Um Geschmack, Natur, Zwischenmenschliches.
Es ist eigentlich alles Emotion, was den Wein und den Weingenuss betrifft. Die Menschen könnten ja auch einfach Wasser trinken. Aber es geht um das persönliche Erlebnis des Geschmacks. Des eigenen Geschmacks. Dem einen schmeckt ein trockener Weißwein, dem anderen ein süßer Rotwein (was ich persönlich jetzt nicht brauche, aber dafür sind die Geschmäcker ja auch verschieden). Es geht um die Geschichten hinter dem Genussprodukt. Wo wächst der Wein? Wie sehen naturnah oder gar biologisch bewirtschaftete Weinberge aus? Warum macht der Winzer an diesem Fleck Erde was er macht und wie? Und zig andere Fragen, die mich bei jeder Weinprobe aufs Neue faszinieren.
Der Lockdown…
All das können (konnten) wir als Gästeführer Weinerlebnis, aber auch jeder Winzer / jede Winzerin ohne diese Ausbildung, unseren Kunden (= Gästen, Freunden) näher bringen. In Zeiten eines Lockdowns merkt man, wie schnell einem dieser persönliche Kontakt zu den Menschen abhanden kommt und wie schmerzlich das ist.
Natürlich hat es auch wirtschaftliche Folgen, wenn man die direkte Kommunikation mit den Menschen nicht mehr hat. Weniger Besuche im Weingut. Keine Besuche von Messen mehr. Keine Weinproben im Schloss oder sonst wo. Das macht sich schon bemerkbar. Es beweist, wie wichtig dieser persönliche, menschliche Kontakt ist. Ein Winzer (oder Kaffeeröster, Gastronom, Schokolatier, Mandelbrenner, Trüffelsammler…) zum Anfassen und Befragen ist etwas anderes, als ein anonymer Hersteller, dessen Produkt man aus dem Regel in den Einkaufswagen zieht. Es braucht den persönlichen und menschlichen Kontakt, um den Funken, die eigene Begeisterung – aber auch die Begeisterung des Kunden und seine Ideen und Wahrnehmungen – überspringen lassen zu können. Das fehlt uns jetzt halt. Nicht nur, weil es uns der Möglichkeit beraubt neue Kunden zu gewinnen.
Ich meine das jetzt nicht als Jammern, was uns fehlt, sondern als Anerkennung dessen, was diese (aber auch andere) Branche im Sinne von Emotion und Wahrnehmung über den Verkauf eines Produktes hinaus schaffen kann, wenn der persönliche Kontakt, die direkte Kommunikation, die Möglichkeit etwas, was einem wichtig ist, auf 1,50 m oder weniger rüber bringen zu können. Das war die Stärke unseres weintouristischen Konzepts. Von der Didaktik möglichst viel „hands on“, Sendung mit der Maus, zeigen statt erklären…
Dass dieser Weg erfolgreich ist, sehe ich daran, dass der „Abverkauf“ nach einer Verkostung immer dann besonders erfolgreich war, wenn die TeilnehmerInnen auch Blicke hinter die Kulissen werfen konnten (Ausbaukeller, Weinberg…) und wenn ich Zeit hatte, mit diesen ausführlich zu sprechen und auch ihnen zuzuhören. Das ist jetzt kein großes Geheimnis, wie man besser verkauft. Es ist logisch. Aber das fehlt uns halt jetzt in der Zeit von staatlich verordneten Lockdowns (über dessen Sinnhaftigkeit ich mich jetzt nicht in die eine oder andere Richtung ausdrücken werde; Wer besonders vorsichtig sein will oder muss, sollte das auf jeden Fall sein).
Bitte nicht falsch verstehen: Das soll, wie gesagt, kein Jammern sein. Uns geht es als Weingut (noch) nicht wirtschaftlich schlechter als vor der sogenannten „Corona Krise“. Wir haben das Glück, dass viele aus Solidarität (und Eigeninteresse – Wein bringt halt auch Lebensqualität und Glücksgefühle) unsere Weine gerade jetzt online bestellen und uns damit helfen unsere Familien zu ernähren und sich selbst dabei auch eine kleine Freude zu machen. Dafür mein allerherzlichster Dank! Danke.
Ich sehe aber aus den aktuellen Entwicklungen auch, wie wichtig dieser Weintourismus für uns als Anbaugebiet Franken, aber auch für alle deutschen Weinbaugebiete war und ist und wie wichtig es ist, baldmöglichst zu einem normalen und persönlichen Miteinander wieder zurückkommen zu können.
Die chinesischen Winzer werden es sich in der Region Ningxia mit derzeit 33.000 und bald vielleicht 66.000 Hektar Rebfläche auch nicht nehmen lassen.
Wann sehen wir uns wieder, so ganz persönlich? Natürlich erst, sobald es möglich bzw. erlaubt ist.
Ich freue mich darauf!